Über die Autorin

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Eva Ebenhoeh

Ich wünschte, ich könnte einfach sagen, dass ich schon immer Romane habe schreiben wollen und es nur eine Frage der Zeit war. Vielleicht war es sogar so, aber wenn, dann habe ich diesen Wunsch lange nicht sehen wollen und absichtlich klein gehalten. (So ein Quatsch, Romane schreiben kannst du doch gar nicht, wer will denn so einen Mist lesen?! Tu was Vernünftiges: Rette die Welt.)

Nichtsdestotrotz habe ich mein Leben lang im Kopf Szenen ''geschrieben''. Denn ich wollte sie hören. Sie erleben. Fühlen. Mein Alter Ego, stark und schön, gewitzt und unendlich traurig, traf auf die tragischen Helden (ich meine hier tatsächlich die männliche Form) anderer Geschichten. Szenen voll Gewalt. Szenen voll Romantik. Szenen, in denen die Heldin unter der Last zusammenbricht, ihrem Widersacher machtlos gegenüber steht, nur um festzustellen, dass er eigentlich auf ihrer Seite ist. Das berauschende Gefühl von Vertrauen, das sie erst spüren konnte, als sie hilflos ausgeliefert war... Es war eine Droge.

Es waren aber nur Szenen, festgesetzt in meinem Kopf wie ein Anker, der meinen Geist nicht weiter treiben lässt.

Geschichten gesponnen habe ich auch, als Rollenspielabenteuer. Schon als Teenager habe ich Kampagnen geschrieben und geleitet, lang, dicht, komplex. So zumindest habe ich es versucht. Später, während meiner Diplomarbeit, arbeitete ich mindestens ebenso intensiv an einem der besseren Abenteuer, die ich bisher entworfen habe. 80 Din A4 Seiten, nur Abenteuer-Informationen. Die Diplomarbeit war auch nicht länger. Und es hat mir wesentlich weniger gegeben, an der Diplomarbeit zu schreiben, als an dem Abenteuer. Trotzdem schloss ich eine Doktorarbeit an. Auch die Zeit der Doktorarbeit peppte ich mit der Flucht ins Rollenspielen auf.

Es hat ein persönliches Grenzerlebnis erfordert, damit ich Ehrgeiz und Pflichtgefühl den Rücken kehren, meinen Job als Wissenschaftlerin aufgeben und etwas anderes finden konnte, eine Tätigkeit, die mich erfüllt. Also, eine Tätigkeit, die mich während des Tuns durch das Tun selbst erfüllt. Sicher war die Anerkennung schön, die ich für meine Diss, für meine Modelle, Präsentationen und Publikationen erhalten habe. Ich war eine ganz passable Wissenschaftlerin. Und es ist auch nicht so, dass es mir gar keinen Spaß gemacht hätte. Was mir keinen Spaß gemacht hat, war der permanente Druck, wissentlich mehr zu versprechen als halten zu können, mehr zu leisten als bezahlt zu bekommen, die eigene Arbeit besser darzustellen als ich sie fand ... das Wissenschaftssystem halt. Ihr könnt mich mal. Forscht eure Welt alleine kaputt.

Die Anerkennung war äußerlich. Erfüllt hat es mich nicht. Vielleicht hätte es das, wenn ich gespürt hätte, dass die Rettung der Welt in der Wissenschaft liegt. Vielleicht hätte es mir dann den Sinn gegeben, den ich gesucht habe. Aber ich spürte das nicht.

Spüren. Schreiben. Romane schreiben. Das erfüllt mich mit Leben. Zuerst konnte ich das gar nicht glauben, denn es entzieht mich ja der realen Welt. Was soll daran ''Leben'' sein? Aber wenn ich schreibe, dann spüre ich den Regen auf der Haut der Hände, die die Zügel halten, rieche das feucht werdende Fell des Pferdes unter mir, höre dessen Schnauben und das Quietschen des ledernen Sattels, wenn es seine kräftigen Beine bewegt. Ich spüre mehr als im realen Leben. Sicherlich eines meiner Probleme und ich arbeite daran.

Aber das ist noch nicht alles. Es fasziniert und fesselt und begeistert mich. Jede freie Minute würde ich am liebsten damit verbringen, meine Geschichten zu schreiben, zu recherchieren, entwerfen, lesen, planen, erleben. Manchmal entsteht über Nacht oder beim Joggen eine Szene in meinem Kopf, die raus will. ''Schreib mich, schreib mich'', flüstert sie unaufhaltsam in mir, bis ich sie durch meine Fingerspitzen wie selbsttätig in den Computer fließen lasse. Dann erst lässt sie mich los und ich kann mich befreit etwas anderem zuwenden. Diese Begeisterung, diese Obsession, auch das ist Leben.

Und im Gegensatz zu früher, als die immer wieder gleiche Szene sich über lange Jahre in mir festgesetzt hatte, als Änderung so langsam stattfand wie in den Musical Spielplänen dieser Stadt, im Gegensatz dazu ermöglicht mir das Aufschreiben die weiteren Schritte. Die Szenen werden endlich Geschichten. Die Geschichte - meine Geschichte - kann sich endlich entfalten.

Dabei ist es völlig schnurz, ob es jemand lesen will oder nicht (oh, das ist natürlich gelogen, das ist nur ein illusorischer Wunsch). Vielmehr: Ich sehne mich nach dem Zustand, in dem die Erfahrung wie gut es mir tut zu schreiben als Legitimation reicht, es zu tun. Natürlich hätte ich gerne, dass es Leute gibt, die das lesen wollen. Aber wenn es mich so erfüllt, dann ist es sekundär, was es der Welt gibt. Oder sollte es sein. Ich schreibe im wesentlichen für mich.

Die Welt rette ich so auch nicht. Aber vielleicht mich. Und vielleicht ist das der erste Schritt.