Symboliken des Lebens. Oder: Von alten Wurzeln und neuen Blättern

Manche Erinnerungen sind verschollen. Glauben wir.

Manche Erinnerungen sind eingetütet, nicht verschollen. Wir wissen genau, wo sie sind. Wie zum Beispiel die Musikkassetten meiner Jugendzeit. Wegschmeißen kann ich die nicht. Ist doch klar. Wie sollte ich mich von der 2 Millionen Mal gehörten Kassette mit Number of the Beast auf der einen Seite und Piece of Mind auf der anderen trennen?! Das ist ein Teil meiner Jugend, meines Lebens, meiner Existenz. Könnte ich ja gleich einen Teelöffel voll Gehirnsubstanz opfern.

Aber hören muss ich sie auch nicht mehr.

Also liegt die Kassette zwischen knapp 100 anderen in einem kleinen Karton, der säuberlich beschriftet ist: "Kassetten, voll und leer"

Und liegt und wartet.

Wartet auf einen Moment wie diesen:

Mein Nachbar braucht ein neues Tapedeck. Da ich meins seit mindestens drei Jahren nicht mehr verwendet habe, sage ich ihm, er könne meins haben. Aber etwas wehmütig bin ich und drücke ihm das auch aus. Was sagt er? "Dann bau es auf und hör die alten Sampler."

Tja.

Nagut. Ich schalte es also an. Strom hat es schon mal. Fehlt nur noch ein Tape.

Also krame ich den Karton hervor. Weit ist er gar nicht weg. Aber als ich ihn aufmache erlebe ich eine Überraschung. Da! Da ist die Kalligraphie-Tinte, die ich seit einer Woche suche und offenbar vor 18 Monaten, vor dem Umzug, in diesen Karton gepackt hatte, weil noch etwas Platz darin war.

Voll Wunder sitze ich vor dem Karton, die Kalligraphie-Tinte in der einen, das Iron Maiden Tape in der anderen Hand. Die Tinte brauche ich für das, was mich momentan interessiert und fasziniert. Die Musik, meine Wurzeln. Wurzeln, die ich brauche, damit mein Leben neue Blätter sprießen kann. Und das hat es mit schreiben zu tun: Geschehnisse wie diese bergen eine Symbolik in sich. Wenn ich die Symbolik "Alte Wurzeln, neue Blätter" rüber bringen will, dann kann meinen Charakteren genau so etwas passieren. Kommt sofort in den Zettelkasten.

Und was habe ich dabei gelernt? Dass mein bisheriges Leben nicht total für'n Arsch war.

Also Iron Maiden rein, Feder in die Tinte tauchen...